logo

Raubüberfall in Mauretanien - Detaillierter persönlicher Bericht

Am 18. November 1999, 10h vormittags, wurde die von Klaus Därr organisierte und geleitete Expedition von sechs Geländefahrzeugen in N-Mauretanien bei N 21°20,49`, W 10°42,57', also 100km nordöstlich von Ouadane, überfallen und weitgehend ausgeraubt.


Die Expedition:
Vom Ende Oktober bis Anfang Dezember führte Klaus Därr eine Expedition mit 11 Personen und 6 Geländefahrzeugen durch die Sahara, die folgenden Verlauf nahm:
Tunesien: Ankunft mit dem Schiff in Tunis, weiter zur Grenze nach Libyen
Libyen: Ras Ajdir, Zuara, Nalut, Darj, Hamada al Hamra, Pipelinepiste, Al Awaynat, Ghat.
Algerien: Tin Alkoum, Djanet, Erg d' Admer, Serouenout, Garet el Djenoun, In Salah, Aoulef, Adrar, Erg Chech, Bordj Fly Ste. Marie (verlassenes Fort), Chenachen (Posten der algerischen Gendarmerie),
Mauretanien: Chegga (dort Cheggatt genannt, mauretanisches Militär), Bir Amrane, Ort des Überfalls, Guelb er Richat, Ouadane, Chinguetti, Atar, Akjoujt, Nouakchott, Nouamghar, Nouadhibou
W-Sahara: Guerguarat, Dakhla, Boujdour, Laayoune,
Marokko: Guelmim, Agadir, Rabat, Ceuta (Verschiffung nach Europa).


Der Ablauf des Raubüberfalls:
Der Konvoi, bestehend aus vier Geländefahrzeugen und zwei MAN L 2000, also geländegängigen Wohnmobilen bzw. Versorgungsfahrzeugen, erreichte am Donnerstag, den 18. November 1999, um 10h vormittags eine Stelle stärkerer Vegetation ohne Brunnen entlang der "Piste", die jedoch nur aus vereinzelten weit verstreuten Spuren besteht. (Es war der Tag nach einer Nacht mit extrem starkem Einfall von Sternschnuppen).
Die Deckung der Vegetation nutzend, blieb der Konvoi stehen, um den Teilnehmern eine kurze "Pinkelpause" zu ermöglichen. Wenige Minuten nach dem Anhalten des Konvois nähert sich unvermittelt ein weißer Toyota Landcruiser Pickup, Diesel. Es steigen fünf uniformierte Männer ab bzw. aus, drei davon mit Kalaschnikov-Maschinenpistolen bewaffnet. Solche Situationen sind dem erfahrenen Saharareisenden bekannt, wenn sie von einer Patrouille der Gendarmerie oder des Militärs kontrolliert werden, sie müssen nicht sofort als bedrohlich betrachtet werden. Die Männer eignen sich ruppig die Autoschlüssel der Fahrzeuge an und fahren alle Fahrzeuge an eine Stelle, wo auch die Expeditionsteilnehmer versammelt werden. Die Männer bezeichnen sich selbst als "Banditen", sagen "Haben sie keine Angst, wir wollen das Geld und ein, zwei oder drei Autos". Politische Motive werden nicht vorgeschoben, sie behaupten nicht, "Rebellen" oder "Revolutionäre" zu sein, wie man das in anderen Regionen der Sahara kennt. Das Auftreten der Banditen ist zielgerichtet, routiniert, es gibt einen Chef.
Die Banditen fordern die Expeditionsteilnehmer auf, sich in wenige Fahrzeuge zu quetschen. Sie verbringen Fahrzeuge wie Menschen in eine nahegelegene Senke abseits der Fahrspuren, um außerhalb der Sichtweite der kaum erkennbaren Piste zu sein. Kurz nach dem Anhalten gelingt es, unauffällig die Koordinaten des Tatortes von einem GPS-Navigationsgerät abzulesen und zu notieren. Alle Expeditionsteilnehmer werden in einer Gruppe versammelt und aus sicherer Entfernung mit einem Maschinengewehr in Schach gehalten.
Der Banditenchef tritt zu der Gruppe und fordert das Geld. Es folgt die Drohung: "Bei wem wir nach der Herausgabe des Geldes noch einen Franc finden, der wird erschossen". Gleichzeitig wird erklärt: "Wenn ihr telefoniert, werdet ihr alle sofort erschossen", ein erstes Indiz dafür, dass die Banditen wissen, was Satellitentelefon ist und dass das für sie eine Gefahr darstellen kann. Wir verfügen über zwei Funkgeräte mit geringer Reichweite und zwei INMARSAT-Satellitentelefone zum weltweiten Telefonieren. Während ein Bandit die Gruppe weiterhin mit einer Waffe bedroht, beginnen die übrigen Banditen die Fahrzeuge zu durchsuchen und Ausrüstungen von den MAN-Fahrzeugen in die Geländewagen (zwei Mercedes G, zwei Mitsubishi-Geländewagen) zu befördern. Es bleibt sehr lange unklar, wie viele Fahrzeuge sie rauben werden. Es werden Funkgeräte, Ferngläser, Satellitentelefone, Navigationsgeräte, Aktentaschen, Laptops, Kameras aus den Fahrerhäusern geworfen und umgeladen. Aktentaschen werden nach Geld gefilzt und z.T. freigegeben. Auch Werkzeug, Kochgeschirr, Lebensmittel, Bekleidung, ein Ärzte-Notfallkoffer werden geraubt. Armbanduhren werden nicht geraubt, Geldgürtel nicht erkannt. Einige der Banditen filzen die Fahrzeuge und finden vereinzelt verstecktes Geld, was die Spannung spürbar erhöht. Vor der Expedition waren die Teilnehmer aufgefordert worden, Geld und Papiere auf zumindest drei Depots zu verteilen. Unserer Aufforderung, uns die Dokumente zu überlassen, wird stattgegeben, aus einem Fahrzeug nach dem anderen können die Papiere entnommen werden. Das ist jedoch sehr gefährlich, weil die Papiere zumeist zusammen mit Geld versteckt sind. Angesichts der Todesdrohung beim Auffinden von verborgenem Geld gelingt es nicht alle Pässe und KFZ- Papiere zu retten. Während die einen Banditen filzen, beginnt ein anderer den Treibstoff routiniert aus den Haupttanks in Treibstoffkanister umzufüllen, dann aus den Kanistern ihr eigenes Fahrzeug und die vier Geländefahrzeuge der Expeditionsteilnehmer aufzutanken. Damit wird klar, dass sie alle vier Geländewagen rauben möchten, die MANs aber mangels Fahrer und wegen deren Auffälligkeit und schlechten Verwertbarkeit in der Sahara zurücklassen werden. Versuche des Reiseleiters Sadok Kechicheb und des Veranstalters Klaus Därr, mit Tricks die unverdächtig verpackten Satellitentelefone wieder zurückzuerlangen, scheitern leider.
Die Aufforderung an die Banditen, uns warme Jacken, etwas Kleidung und notwendige Medikamente zu belassen, wird respektiert. Auch die Aufforderung von Klaus Därr, ausreichend Treibstoff zu belassen, damit man die nächste Oase Ouadane noch erreichen könne, wird respektiert, man unterläßt weiteres Abzapfen und weist darauf hin, dass in einem MAN noch Treibstoff in einem Gefahrgutbehälter vorhanden sei. Es folgt aber die Frage: "Wie weit ist es bis Ouadane?", ein erstes Indiz dafür, dass die Banditen aus dem unbewohnten NO kamen und nicht aus Ouadane. Wir antworten: "200km", obwohl wir dank GPS wissen, dass es nur noch 100km Luftlinie sind. Das Wort "nur" wird hier verwendet, weil die Entfernung zur letzten ständigen menschlichen Ansiedlung "Adrar" in Algerien, von der wir kamen, ca. 2.400km beträgt. Wir werden gefragt, wie weit unsere Geländefahrzeuge mit einer Tankfüllung fahren können. Aus einem 200l-Faß auf der Ladefläche des Tatfahrzeugs wird Wasser abgelassen, wohl um Gewicht zu sparen und schnell voranzukommen. Daraus könnten wir schließen, dass es bis zu deren nächstgelegenem Depot oder einem unbewohnten Brunnen nicht sehr weit ist.
Nach zwei Stunden haben die Banditen ihre Beute in den vier zu raubenden Geländefahrzeugen verstaut, der Chef läßt bei einem MAN die Luft aus einem Hinterreifen ab, um unsere Abfahrt zu verzögern. Die Intervention von Sadok, nicht noch aus weiteren Reifen Luft abzulassen, wird zögernd respektiert, das Ventil des abgelassenen Reifens ausgehändigt.
Es wird uns gesagt: "Ihr wißt ja, wie ihr ohne GPS nach Ouadane kommt, weil es Markierungen gibt". Die Banditen verlassen mit ihrem und unseren vier Fahrzeugen den Tatort auf den Spuren, in welchen sie gekommen sind. Bemerkenswert ist, dass sie mit allen fünf Fahrzeugen exakt in einer Spur fuhren, wohl um zu verbergen, dass da mehrere Fahrzeuge unterwegs waren. Die Steinmännchen als Markierungen für unsere Weiterfahrt sind allerdings sehr spärlich, oft außer Sichtweite und im steinigen, mit Büschen durchsetzten Gelände oft nur schwer auszumachen. Wegen der unangenehmen Mischung aus groben Steinen und weichem Sand sind die vereinzelten Fahrspuren sehr weit verteilt und führen häufig außerhalb des Sichtbereiches der Markierungen.
Die Banditen glaubten, uns aller GPS-Navigationsgeräte entledigt zu haben, hatten aber ein fest eingebautes Zweitgerät in einem MAN übersehen. Damit gelang es, nach siebenstündiger Fahrt durch die beschriebene extrem unangenehme Mischung aus großen Steinen und weichem Sand Ouadane zu erreichen.
Fazit: Man wollte uns berauben, aber nicht töten oder verletzen. Es hätte weit schlimmer kommen können.


Die Banditen:
Fünf Männer mit schwarzem Chech um den Kopf, in grün-schwarz-braunen Tarnuniformen (Camouflage) und zivilem Schuhwerk. Der Chef trug moderne Ledermokassins, wie solche der bekannten Marke Timberland. Alter ungefähr 30-40 Jahre, der Chef vielleicht bis ca. 45, braune, helle Hautfarbe, z.T. Bärte, also Saharabewohner, keine Schwarzafrikaner. Dem Gesichtsausdruck nach auch keine typischen Mauren oder Saharaoui, obgleich natürlich auch in Mauretanien und der W-Sahara unter den Saharaouis nicht nur typische "Mauren" zu finden sind. Die Tarnfarbe der Uniformen ist anders als die der mauretanischen Armee. Bewaffnung: Drei Kalaschnikov, eine davon "Fallschirmspringerversion" mit umklappbarer Schulterstütze, eine zweite mit einem blauen Schulterband.
Die Täter benutzen einen weißen oder fast weißen Toyota Land Cruiser Pickup Diesel ohne Kennzeichen bzw. mit einer auf die Stoßstange gepinselten Fantasienummer. Bemerkenswert ist, dass es sich um ein Diesel-Fahrzeug handelt, denn Gendarmerie, Schmuggler, Banditen, Revolutionäre und Rebellen in anderen Teilen der Sahara benutzen zumeist möglichst starke, schnelle Benzin-Fahrzeuge.
Die Täter sprachen untereinander Arabisch, mit uns flüssig, aber nicht perfekt Französisch. Sie konnten fachgerecht mit Waffen umgehen, konnten alle Auto fahren, hatten eine Vorstellung davon, was Satellitentelefone und GPS-Navigationsgeräte sind und welche Gefahr diese Geräte für sie darstellen. Sie nahmen alle Tätigkeiten sehr zügig, routiniert vor und hatten offensichtlich Erfahrung. Wir halten es für durchaus möglich, das es die gleichen Täter waren, welche im Vorjahr bei Tichit in S-Mauretanien die Rallye Paris-Dakar ausraubten.
Die Neigung bei den Ortsbehörden in Mauretanien und der W-Sahara ist groß, die Banditen den Tuareg oder der Polisario zuzuordnen, was ich jedoch nicht tun möchte, weil es uns an eindeutigen Indizien für diese Volkszugehörigkeit fehlt. Es könnten auch marodierende Soldaten aus Cheggat in Mauretanien oder aus N-Mali oder Banditen anderer Volksgruppen der westlichen Zentralsahara sein. Für Geld benutzen sie zeitweise das ungewöhnliche Wort "Draham" (= Dirham in Marokko? oder Dirra in der Sprache der Tuareg aus dem Iforasgebirge in Mali?). Ich gehe aber davon aus, dass die Banditen ihr Lager im riesigen, praktisch unbesiedelten N-Mali haben, um von dort aus Streifzüge bis weit hinein nach Mali, Mauretanien und SW-Algerien zu unternehmen.


Die Flucht nach Ouadane
Zwei Stunden nach Beginn des Überfalls, also um 12h mittags, fuhren die Täter mit fünf Fahrzeugen in Richtung N ab. Ich übergab die Regie dem teilnehmenden Arzt "Eike" in der Annahme, dass bei Wegfall des äußeren Druckes einer von uns einen Nervenzusammenbruch erleiden könnte. Bis zur Abfahrt der Banditen waren alle Expeditionsteilnehmer sehr angespannt, aber gefaßt und ruhig. Wir erwarteten auch, dass zumindest ein Fahrzeug zurückkommen würde, um zu kontrollieren, ob wir nicht doch noch telefonieren könnten. Nach einer viertel Stunde hörten wir ein Motorengeräusch, sahen aber kein Fahrzeug. Daraus schlossen wir, dass die Banditen in Entfernung von uns die Fahrtrichtung von N z.B. nach SO verändert hatten. Als sie nicht wieder auftauchten, pumpten wir das Hinterrad des einen MAN wieder auf, schufen provisorische Sitzplätze in den verbliebenen Fahrzeugen, verstauten die umherliegende Ausrüstung, mit welcher die Banditen nichts anfangen konnten, und fuhren los. Das beschriebene schwierige Gelände ließ nur mäßige Geschwindigkeit zu, und wir gerieten in das Dünengebiet im Krater "Guelb er Richat", was zu häufigem Einsanden führte. Bei einem MAN ging der Treibstoff im Haupttank aus, es mußte aus dem innen beförderten Gefahrgutbehälter nachgetankt werden. Dazu fehlten aber die geraubte elektrische Treibstoffpumpe, das geraubte Werkzeug und die bisher verwendeten Schläuche. Mit Improvisationskunst gelang es, langsam mittels eines kleinen Wasserschlauches Treibstoff umzufüllen. Bei beginnender Abenddämmerung, die hier Mitte Dezember schon vor 18h eintritt, fanden wir einen Aufstieg aus dem Krater zurück auf das Plateau, wo wir streng nach Navigation über extrem felsiges Gelände in Richtung Ouadane fuhren. Die scharfkantigen Felsen und der Versuch, zügig zu fahren, führten zu einem Reifenschaden an einem der MAN. Der Reifen mußte gewechselt werden, was bei Reifen dieser Dimension ein zeitraubendes Unterfangen ist. Wir mußten aber Ouadane erreichen, weil viele Expeditionsteilnehmer kein Zelt, keinen Schlafsack und keine Liegematte mehr hatten. Manche standen gänzlich ohne Gepäck, Papiere und Fahrzeug da. Deshalb fuhren wir jetzt langsamer im Scheinwerferlicht streng nach Navigation in Richtung Ouadane und erreichten die Oase um ca. 19h. Es erfolgte sofortige Meldung bei der örtlichen Gendarmerie, die auch sofort Funkverbindung mit der vorgesetzten Dienststelle in Atar aufnahm. In der gegenüberliegenden "Auberge" fanden wir Unterkunft in einfachen Räumen mit Matratzen und Decken. Die Aufnahme war außerordentlich freundlich, wir wurden mit Tee und Erfrischungsgetränken bewirtet und konnten ein Abendessen einnehmen. Der Gendarmerie und der Bevölkerung war tiefe Betroffenheit über den Raubüberfall anzumerken.


Die Weiterfahrt nach Nouakchott und Rückreise nach Deutschland
Am Morgen nach unserer Ankunft in Ouadane war bereits um 6h der Kommandant der Genarmerie aus dem 200km entfernten Atar mit mehreren Fahrzeugen eingetroffen. Er verfügte über Funk und stand mit dem Generalstab in Nouakchott in Verbindung. Es wurde ein ausführliches Protokoll aufgenommen, angeblich auch sofort mit einem Suchflugzeug die Suche nach den Spuren der Banditen auf den Weg geschickt. Wir hatten die Koordinaten des Tatortes angegeben. Gegen Mittag trafen einige Militär-LKWs mit Soldaten ein, welche die Suche aufnehmen sollten. Am frühen Nachmittag verließen wir in unseren MAN und in den Fahrzeugen der Gendarmerie Ouadane und trafen in der Abenddämmerung in Atar ein. Dort wurden wir auf Kosten des Gouverneurs im Hotel untergebracht. Von dort konnten wir in Deutschland per Telefon den Überfall und den Umstand melden, dass wir nicht verletzt sind. Am nächsten Tag ging die Fahrt in Begleitung eines Gendarmeriefahrzeuges weiter nach Nouakchott, wo wir in einem Hotel internationalen Standards auf Kosten der Présidence untergebracht wurden. Die Deutsche Botschaft in Nouakchott kümmerte sich mit Hochdruck um unser Problem, indem sie uns Verluste bescheinigte, Flugtickets besorgte, Kontakt mit den Behörden Mauretaniens hielt und für die zwei Fahrzeuge sowie vier Personen die Ausnahmegenehmigung zur Ausreise nach Norden in die W-Sahara beschaffte. Die Deutsche Botschaft setzte dabei all Ihre Kräfte und Verbindungen in Bewegung. Die mauretanischen Behörden hatten auch von Anfang an alles in Bewegung gesetzt, was in ihrer Macht stand, es ist aber nicht zu übersehen, dass deren technische Möglichkeiten sehr begrenzt sind. Leider findet eine wirksame grenzüberschreitende Verfolgung der Banditen mangels ausreichend intakter Fahrzeuge, ausreichend Treibstoff, Funk- und Navigationsgeräten nicht statt. So werden die Banditen wohl binnen eines Tages die Grenze nach N-Mali erreicht haben und damit vor sofortiger Verfolgung sicher gewesen sein.


Die Verluste:
Es entstand ein materieller Verlust in Höhe von ca. 350.000 DM, von welchem nur ein kleiner Teil versicherbar und versichert war.
Es wurden geraubt:
1 x Geländewagen MERCEDES 300 G TD neu, grün
1 x Geländewagen MERCEDES 290 GD, gebraucht, rot (auf der Homepage zu sehen).
1 x Geländewagen MITSUBISHI Pajero, neu, weiß
1 x Geländewagen MITSUBISHI L200, gebraucht, rot
6 x GARMIN Navigationsgeräte, verschiedene Modelle
2 x NERA Satellitentelefone
2 x Laptop
6 x Fotoapparat
2 x Funkgerät
1 x Fernglas
viele Dokumente, Geld, Kleidung, Werkzeug, Proviant, Dieselöl, Zelte, Schlafsäcke, Liegematten


Rekonstruktion der Vorgeschichte:
Ein Überfall dieser Art öffnet der Spekulation über Art, Motivation und Herkunft der Täter Tür und Tor, schärft aber auch die Sinne und das Erinnerungsvermögen. Nach der Tat begannen wir die Anzeichen zu erkennen, die uns vorher hätten auffallen können, an deren Ergebnis wir aber nichts hätten ändern können. In den letzten zwei Tagen vor dem Überfall sah ich mehrfach eine einzelne ganz frische Spur eines Geländewagens im Sand. Sie bog einmal unmotiviert scharf ab, zweimal drehte sie mitten im Nichts unmotiviert um. Einmal sah ich ein weißes Fahrzeug am Horizont sich von einem Brunnen entfernen. Einmal sah eine Expeditionsteilnehmerin in der Entfernung ein weißes Fahrzeug, das in die gleiche Richtung fuhr wie wir, sich aber nicht, wie in der Sahara üblich, näherte. Einmal sah ein Expeditionsteilnehmer einen Lichtblitz in der Mittagssonne, der die Reflexion des Sonnenlichtes in einer Fensterscheibe des Fahrzeugs sein konnte, dessen Besatzung uns verfolgte, beobachtete und letztlich überfiel. Ich bin heute der Überzeugung, dass wir seit zumindest zwei Tagen vor dem Überfall verfolgt und beobachtet wurden. Das heißt erstens, dass die Banditen aus dem äußersten N Mauretaniens oder Malis kamen, und führt zweitens zu der Vermutung, daß wir von Saharaoui-Nomaden in W-Algerien, N-Mali oder N-Mauretanien, von Soldaten des Militärpostens von Cheggatt/Mauretanien oder des Postens von Chenachen/Algerien an die Banditen verraten wurden. Ich kann mir das bei allen genannten Personenkreisen nicht vorstellen, habe aber keine andere Erklärung dafür, dass wir aufgefunden werden konnten.


Schlußfolgerungen:
1) Wer viel reist, läuft Gefahr, im Reiseland Probleme zu haben und nicht in der Heimat. Er könnte in den Tropen Durchfall bekommen und nicht daheim BSE. Er könnte in der Sahara überfallen werden und nicht in Reichenhall einem Amokläufer zum Opfer fallen. Er könnte im Verkehrschaos von Lagos einen Autounfall haben und nicht einem Bombenanschlag am Haupteingang des Oktoberfestes in München zum Opfer fallen.
2) Wer wie wir einen Großraum der Erde besucht, in dem seit vielen Jahren kein Tourist oder fast keiner war, wird dort nicht erwartet, aber evtl. verraten und dann überfallen. Darf das heißen, dass man einen Raum in der Ausdehnung von 1.000km auf 1.000km nicht besuchen soll, weil dort mangels Opfer und Übermittler von Nachrichten seit Jahren keine Straftat dieser Art mehr bekannt geworden ist?
3) Zum praktischen Teil: Verstecken Sie Ihr Geld an drei bis vier Depots am Körper und im Fahrzeug. Füllen Sie ein Depot mit großen Scheinen mit wenig Wert, z.B. Libysche Dinare oder Italienische Lira, um damit zu blenden. Bewahren Sie keine Dokumente am gleichen Ort auf, wo auch Geld versteckt ist. Kopieren Sie Ihre Reisedokumente und verstecken Sie einen Satz Kopien im Fahrzeug, den zweiten Satz beim Reisepartner z.B. im Brustbeutel oder Geldgürtel.
4) Nehmen Sie keine Waffe mit, aber protestieren Sie mündlich gegen einen evtl. Überfall. Dramatisieren Sie keine aussichtslose Situation, denn wer die Kalaschnikov hat, verfügt über die besseren Argumente.


Ein Fahrzeug wiedererlangt:
In Frühjahr 2000 gestaltete ich ein kleines Suchplakat das die vier Fahrzeuge abbildete, beschrieb und die Fahrgestellnummern angab. Davon schickte ich ca. 80 St. an Gendarmerieposten in der ganzen westlichen Sahara und Sahel.  Einige Monate später erhielt ich die amtliche Mitteilung, dass mein Fahrzeug "Mercedes G" in Reggane in Algerien bei einem Algerier beschlagnahmt worden sei der damit aus Mali kam. Er wusste, dass es geraubt war, habe es aber angeblich in Mali gekauft. Dann verschwand das beschlasgnahmte Fahrzeug wieder, ich konnte aber nach weiteren Monaten neuerdings in Erfahrung bringen, dass es in Illizi, ganz im Osten der algerischen Sahara, beim Zoll steht. Dort holte ich es ab. Es war dem Vernehmen nach in den Händen des Banditenchefs Mohtar Belmokhtar gewesen, der zu dieser Zeit von einer Amnestie Gebrauch gemacht hatte, in Illizi lebte, später aber wieder untertauchte.
Im Heft DER SPIEGEL 39/2000 erschien unter dem Titel "Tod im Sandmeer" eine ausführliche Beschreibung der Wiedererlangung des Fahrzeugs.   

Am 18. November 1999, 10h vormittags, wurde die von Klaus Därr organisierte und geleitete Expedition von sechs Geländefahrzeugen in N-Mauretanien bei N 21°20,49`, W 10°42,57', also 100km nordöstlich von Ouadane, überfallen und weitgehend ausgeraubt.

Die Expedition:

Vom Ende Oktober bis Anfang Dezember führte Klaus Därr eine Expedition mit 11 Personen und 6 Geländefahrzeugen durch die Sahara, die folgenden Verlauf nahm:

Tunesien: Ankunft mit dem Schiff in Tunis, weiter zur Grenze nach Libyen

Libyen: Ras Ajdir, Zuara, Nalut, Darj, Hamada al Hamra, Pipelinepiste, Al Awaynat, Ghat.

Algerien: Tin Alkoum, Djanet, Erg d' Admer, Serouenout, Garet el Djenoun, In Salah, Aoulef, Adrar, Erg Chech, Bordj Fly Ste. Marie (verlassenes Fort), Chenachen (Posten der algerischen Gendarmerie),

Mauretanien: Chegga (dort Cheggatt genannt, mauretanisches Militär), Bir Amrane, Ort des Überfalls, Guelb er Richat, Ouadane, Chinguetti, Atar, Akjoujt, Nouakchott, Nouamghar, Nouadhibou

W-Sahara: Guerguarat, Dakhla, Boujdour, Laayoune,

Marokko: Guelmim, Agadir, Rabat, Ceuta (Verschiffung nach Europa).

Der Ablauf des Raubüberfalls:

Der Konvoi, bestehend aus vier Geländefahrzeugen und zwei MAN L 2000, also geländegängigen Wohnmobilen bzw. Versorgungsfahrzeugen, erreichte am Donnerstag, den 18. November 1999, um 10h vormittags eine Stelle stärkerer Vegetation ohne Brunnen entlang der "Piste", die jedoch nur aus vereinzelten weit verstreuten Spuren besteht. (Es war der Tag nach einer Nacht mit extrem starkem Einfall von Sternschnuppen).

Die Deckung der Vegetation nutzend, blieb der Konvoi stehen, um den Teilnehmern eine kurze "Pinkelpause" zu ermöglichen. Wenige Minuten nach dem Anhalten des Konvois nähert sich unvermittelt ein weißer Toyota Landcruiser Pickup, Diesel. Es steigen fünf uniformierte Männer ab bzw. aus, drei davon mit Kalaschnikov-Maschinenpistolen bewaffnet. Solche Situationen sind dem erfahrenen Saharareisenden bekannt, wenn sie von einer Patrouille der Gendarmerie oder des Militärs kontrolliert werden, sie müssen nicht sofort als bedrohlich betrachtet werden. Die Männer eignen sich ruppig die Autoschlüssel der Fahrzeuge an und fahren alle Fahrzeuge an eine Stelle, wo auch die Expeditionsteilnehmer versammelt werden. Die Männer bezeichnen sich selbst als "Banditen", sagen "Haben sie keine Angst, wir wollen das Geld und ein, zwei oder drei Autos". Politische Motive werden nicht vorgeschoben, sie behaupten nicht, "Rebellen" oder "Revolutionäre" zu sein, wie man das in anderen Regionen der Sahara kennt. Das Auftreten der Banditen ist zielgerichtet, routiniert, es gibt einen Chef.

Die Banditen fordern die Expeditionsteilnehmer auf, sich in wenige Fahrzeuge zu quetschen. Sie verbringen Fahrzeuge wie Menschen in eine nahegelegene Senke abseits der Fahrspuren, um außerhalb der Sichtweite der kaum erkennbaren Piste zu sein. Kurz nach dem Anhalten gelingt es, unauffällig die Koordinaten des Tatortes von einem GPS-Navigationsgerät abzulesen und zu notieren. Alle Expeditionsteilnehmer werden in einer Gruppe versammelt und aus sicherer Entfernung mit einem Maschinengewehr in Schach gehalten.

Der Banditenchef tritt zu der Gruppe und fordert das Geld. Es folgt die Drohung: "Bei wem wir nach der Herausgabe des Geldes noch einen Franc finden, der wird erschossen". Gleichzeitig wird erklärt: "Wenn ihr telefoniert, werdet ihr alle sofort erschossen", ein erstes Indiz dafür, dass die Banditen wissen, was Satellitentelefon ist und dass das für sie eine Gefahr darstellen kann. Wir verfügen über zwei Funkgeräte mit geringer Reichweite und zwei INMARSAT-Satellitentelefone zum weltweiten Telefonieren. Während ein Bandit die Gruppe weiterhin mit einer Waffe bedroht, beginnen die übrigen Banditen die Fahrzeuge zu durchsuchen und Ausrüstungen von den MAN-Fahrzeugen in die Geländewagen (zwei Mercedes G, zwei Mitsubishi-Geländewagen) zu befördern. Es bleibt sehr lange unklar, wie viele Fahrzeuge sie rauben werden. Es werden Funkgeräte, Ferngläser, Satellitentelefone, Navigationsgeräte, Aktentaschen, Laptops, Kameras aus den Fahrerhäusern geworfen und umgeladen. Aktentaschen werden nach Geld gefilzt und z.T. freigegeben. Auch Werkzeug, Kochgeschirr, Lebensmittel, Bekleidung, ein Ärzte-Notfallkoffer werden geraubt. Armbanduhren werden nicht geraubt, Geldgürtel nicht erkannt. Einige der Banditen filzen die Fahrzeuge und finden vereinzelt verstecktes Geld, was die Spannung spürbar erhöht. Vor der Expedition waren die Teilnehmer aufgefordert worden, Geld und Papiere auf zumindest drei Depots zu verteilen. Unserer Aufforderung, uns die Dokumente zu überlassen, wird stattgegeben, aus einem Fahrzeug nach dem anderen können die Papiere entnommen werden. Das ist jedoch sehr gefährlich, weil die Papiere zumeist zusammen mit Geld versteckt sind. Angesichts der Todesdrohung beim Auffinden von verborgenem Geld gelingt es nicht alle Pässe und KFZ- Papiere zu retten. Während die einen Banditen filzen, beginnt ein anderer den Treibstoff routiniert aus den Haupttanks in Treibstoffkanister umzufüllen, dann aus den Kanistern ihr eigenes Fahrzeug und die vier Geländefahrzeuge der Expeditionsteilnehmer aufzutanken. Damit wird klar, dass sie alle vier Geländewagen rauben möchten, die MANs aber mangels Fahrer und wegen deren Auffälligkeit und schlechten Verwertbarkeit in der Sahara zurücklassen werden. Versuche des Reiseleiters Sadok Kechicheb und des Veranstalters Klaus Därr, mit Tricks die unverdächtig verpackten Satellitentelefone wieder zurückzuerlangen, scheitern leider.

Die Aufforderung an die Banditen, uns warme Jacken, etwas Kleidung und notwendige Medikamente zu belassen, wird respektiert. Auch die Aufforderung von Klaus Därr, ausreichend Treibstoff zu belassen, damit man die nächste Oase Ouadane noch erreichen könne, wird respektiert, man unterläßt weiteres Abzapfen und weist darauf hin, dass in einem MAN noch Treibstoff in einem Gefahrgutbehälter vorhanden sei. Es folgt aber die Frage: "Wie weit ist es bis Ouadane?", ein erstes Indiz dafür, dass die Banditen aus dem unbewohnten NO kamen und nicht aus Ouadane. Wir antworten: "200km", obwohl wir dank GPS wissen, dass es nur noch 100km Luftlinie sind. Das Wort "nur" wird hier verwendet, weil die Entfernung zur letzten ständigen menschlichen Ansiedlung "Adrar" in Algerien, von der wir kamen, ca. 2.400km beträgt. Wir werden gefragt, wie weit unsere Geländefahrzeuge mit einer Tankfüllung fahren können. Aus einem 200l-Faß auf der Ladefläche des Tatfahrzeugs wird Wasser abgelassen, wohl um Gewicht zu sparen und schnell voranzukommen. Daraus könnten wir schließen, dass es bis zu deren nächstgelegenem Depot oder einem unbewohnten Brunnen nicht sehr weit ist.

Nach zwei Stunden haben die Banditen ihre Beute in den vier zu raubenden Geländefahrzeugen verstaut, der Chef läßt bei einem MAN die Luft aus einem Hinterreifen ab, um unsere Abfahrt zu verzögern. Die Intervention von Sadok, nicht noch aus weiteren Reifen Luft abzulassen, wird zögernd respektiert, das Ventil des abgelassenen Reifens ausgehändigt.

Es wird uns gesagt: "Ihr wißt ja, wie ihr ohne GPS nach Ouadane kommt, weil es Markierungen gibt". Die Banditen verlassen mit ihrem und unseren vier Fahrzeugen den Tatort auf den Spuren, in welchen sie gekommen sind. Die Steinmännchen als Markierungen für unsere Weiterfahrt sind allerdings sehr spärlich, oft außer Sichtweite und im steinigen, mit Büschen durchsetzten Gelände oft nur schwer auszumachen. Wegen der unangenehmen Mischung aus groben Steinen und weichem Sand sind die vereinzelten Fahrspuren sehr weit verteilt und führen häufig außerhalb des Sichtbereiches der Markierungen.

Die Banditen glaubten, uns aller GPS-Navigationsgeräte entledigt zu haben, hatten aber ein fest eingebautes Zweitgerät in einem MAN übersehen. Damit gelang es, nach siebenstündiger Fahrt durch die beschriebene extrem unangenehme Mischung aus großen Steinen und weichem Sand Ouadane zu erreichen.

Fazit: Man wollte uns berauben, aber nicht töten oder verletzen. Es hätte weit schlimmer kommen können.

Die Banditen:

Fünf Männer mit schwarzem Chech um den Kopf, in grün-schwarz-braunen Tarnuniformen (Camouflage) und zivilem Schuhwerk. Der Chef trug moderne Ledermokassins, wie solche der bekannten Marke Timberland. Alter ungefähr 30-40 Jahre, der Chef vielleicht bis ca. 45, braune, helle Hautfarbe, z.T. Bärte, also Saharabewohner, keine Schwarzafrikaner. Dem Gesichtsausdruck nach auch keine typischen Mauren oder Saharaoui, obgleich natürlich auch in Mauretanien und der W-Sahara unter den Saharaouis nicht nur typische "Mauren" zu finden sind. Die Tarnfarbe der Uniformen ist anders als die der mauretanischen Armee. Bewaffnung: Drei Kalaschnikov, eine davon "Fallschirmspringerversion" mit umklappbarer Schulterstütze, eine zweite mit einem blauen Schulterband.

Die Täter benutzen einen weißen oder fast weißen Toyota Land Cruiser Pickup Diesel ohne Kennzeichen bzw. mit einer auf die Stoßstange gepinselten Fantasienummer. Bemerkenswert ist, dass es sich um ein Diesel-Fahrzeug handelt, denn Gendarmerie, Schmuggler, Banditen, Revolutionäre und Rebellen in anderen Teilen der Sahara benutzen zumeist möglichst starke, schnelle Benzin-Fahrzeuge.

Die Täter sprachen untereinander Arabisch, mit uns flüssig, aber nicht perfekt Französisch. Sie konnten fachgerecht mit Waffen umgehen, konnten alle Auto fahren, hatten eine Vorstellung davon, was Satellitentelefone und GPS-Navigationsgeräte sind und welche Gefahr diese Geräte für sie darstellen. Sie nahmen alle Tätigkeiten sehr zügig, routiniert vor und hatten offensichtlich Erfahrung. Wir halten es für durchaus möglich, das es die gleichen Täter waren, welche im Vorjahr bei Tichit in S-Mauretanien die Rallye Paris-Dakar ausraubten.

Die Neigung bei den Ortsbehörden in Mauretanien und der W-Sahara ist groß, die Banditen den Tuareg oder der Polisario zuzuordnen, was ich jedoch nicht tun möchte, weil es uns an eindeutigen Indizien für diese Volkszugehörigkeit fehlt. Es könnten auch marodierende Soldaten aus Cheggat in Mauretanien oder aus N-Mali oder Banditen anderer Volksgruppen der westlichen Zentralsahara sein. Für Geld benutzen sie zeitweise das ungewöhnliche Wort "Draham" (= Dirham in Marokko? oder Dirra in der Sprache der Tuareg aus dem Iforasgebirge in Mali?). Ich gehe aber davon aus, dass die Banditen ihr Lager im riesigen, praktisch unbesiedelten N-Mali haben, um von dort aus Streifzüge bis weit hinein nach Mali, Mauretanien und SW-Algerien zu unternehmen.

Die Flucht nach Ouadane

Zwei Stunden nach Beginn des Überfalls, also um 12h mittags, fuhren die Täter mit fünf Fahrzeugen in Richtung N ab. Ich übergab die Regie dem teilnehmenden Arzt "Eike" in der Annahme, dass bei Wegfall des äußeren Druckes einer von uns einen Nervenzusammenbruch erleiden könnte. Bis zur Abfahrt der Banditen waren alle Expeditionsteilnehmer sehr angespannt, aber gefaßt und ruhig. Wir erwarteten auch, dass zumindest ein Fahrzeug zurückkommen würde, um zu kontrollieren, ob wir nicht doch noch telefonieren könnten. Nach einer viertel Stunde hörten wir ein Motorengeräusch, sahen aber kein Fahrzeug. Daraus schlossen wir, dass die Banditen in Entfernung von uns die Fahrtrichtung von N z.B. nach SO verändert hatten. Als sie nicht wieder auftauchten, pumpten wir das Hinterrad des einen MAN wieder auf, schufen provisorische Sitzplätze in den verbliebenen Fahrzeugen, verstauten die umherliegende Ausrüstung, mit welcher die Banditen nichts anfangen konnten, und fuhren los. Das beschriebene schwierige Gelände ließ nur mäßige Geschwindigkeit zu, und wir gerieten in das Dünengebiet im Krater "Guelb er Richat", was zu häufigem Einsanden führte. Bei einem MAN ging der Treibstoff im Haupttank aus, es mußte aus dem innen beförderten Gefahrgutbehälter nachgetankt werden. Dazu fehlten aber die geraubte elektrische Treibstoffpumpe, das geraubte Werkzeug und die bisher verwendeten Schläuche. Mit Improvisationskunst gelang es, langsam mittels eines kleinen Wasserschlauches Treibstoff umzufüllen. Bei beginnender Abenddämmerung, die hier Mitte Dezember schon vor 18h eintritt, fanden wir einen Aufstieg aus dem Krater zurück auf das Plateau, wo wir streng nach Navigation über extrem felsiges Gelände in Richtung Ouadane fuhren. Die scharfkantigen Felsen und der Versuch, zügig zu fahren, führten zu einem Reifenschaden an einem der MAN. Der Reifen mußte gewechselt werden, was bei Reifen dieser Dimension ein zeitraubendes Unterfangen ist. Wir mußten aber Ouadane erreichen, weil viele Expeditionsteilnehmer kein Zelt, keinen Schlafsack und keine Liegematte mehr hatten. Manche standen gänzlich ohne Gepäck, Papiere und Fahrzeug da. Deshalb fuhren wir jetzt langsamer im Scheinwerferlicht streng nach Navigation in Richtung Ouadane und erreichten die Oase um ca. 19h. Es erfolgte sofortige Meldung bei der örtlichen Gendarmerie, die auch sofort Funkverbindung mit der vorgesetzten Dienststelle in Atar aufnahm. In der gegenüberliegenden "Auberge" fanden wir Unterkunft in einfachen Räumen mit Matratzen und Decken. Die Aufnahme war außerordentlich freundlich, wir wurden mit Tee und Erfrischungsgetränken bewirtet und konnten ein Abendessen einnehmen. Der Gendarmerie und der Bevölkerung war tiefe Betroffenheit über den Raubüberfall anzumerken.

Die Weiterfahrt nach Nouakchott und Rückreise nach Deutschland

Am Morgen nach unserer Ankunft in Ouadane war bereits um 6h der Kommandant der Genarmerie aus dem 200km entfernten Atar mit mehreren Fahrzeugen eingetroffen. Er verfügte über Funk und stand mit dem Generalstab in Nouakchott in Verbindung. Es wurde ein ausführliches Protokoll aufgenommen, angeblich auch sofort mit einem Suchflugzeug die Suche nach den Spuren der Banditen auf den Weg geschickt. Wir hatten die Koordinaten des Tatortes angegeben. Gegen Mittag trafen einige Militär-LKWs mit Soldaten ein, welche die Suche aufnehmen sollten. Am frühen Nachmittag verließen wir in unseren MAN und in den Fahrzeugen der Gendarmerie Ouadane und trafen in der Abenddämmerung in Atar ein. Dort wurden wir auf Kosten des Gouverneurs im Hotel untergebracht. Von dort konnten wir in Deutschland per Telefon den Überfall und den Umstand melden, dass wir nicht verletzt sind. Am nächsten Tag ging die Fahrt in Begleitung eines Gendarmeriefahrzeuges weiter nach Nouakchott, wo wir in einem Hotel internationalen Standards auf Kosten der Présidence untergebracht wurden. Die Deutsche Botschaft in Nouakchott kümmerte sich mit Hochdruck um unser Problem, indem sie uns Verluste bescheinigte, Flugtickets besorgte, Kontakt mit den Behörden Mauretaniens hielt und für die zwei Fahrzeuge sowie vier Personen die Ausnahmegenehmigung zur Ausreise nach Norden in die W-Sahara beschaffte. Die Deutsche Botschaft setzte dabei all Ihre Kräfte und Verbindungen in Bewegung. Die mauretanischen Behörden hatten auch von Anfang an alles in Bewegung gesetzt, was in ihrer Macht stand, es ist aber nicht zu übersehen, dass deren technische Möglichkeiten sehr begrenzt sind. Leider findet eine wirksame grenzüberschreitende Verfolgung der Banditen mangels ausreichend intakter Fahrzeuge, ausreichend Treibstoff, Funk- und Navigationsgeräten nicht statt. So werden die Banditen wohl binnen eines Tages die Grenze nach N-Mali erreicht haben und damit vor sofortiger Verfolgung sicher gewesen sein.

Die Verluste:

Es entstand ein materieller Verlust in Höhe von ca. 350.000 DM, von welchem nur ein kleiner Teil versicherbar und versichert war.

Es wurden geraubt:

1 x Geländewagen MERCEDES 300 G TD neu, grün

1 x Geländewagen MERCEDES 290 GD, gebraucht, rot (auf der Homepage zu sehen).

1 x Geländewagen MITSUBISHI Pajero, neu, weiß

1 x Geländewagen MITSUBISHI L200, gebraucht, rot

6 x GARMIN Navigationsgeräte, verschiedene Modelle

2 x NERA Satellitentelefone

2 x Laptop

6 x Fotoapparat

2 x Funkgerät

1 x Fernglas

viele Dokumente, Geld, Kleidung, Werkzeug, Proviant, Dieselöl, Zelte, Schlafsäcke, Liegematten

Rekonstruktion der Vorgeschichte:

Ein Überfall dieser Art öffnet der Spekulation über Art, Motivation und Herkunft der Täter Tür und Tor, schärft aber auch die Sinne und das Erinnerungsvermögen. Nach der Tat begannen wir die Anzeichen zu erkennen, die uns vorher hätten auffallen können, an deren Ergebnis wir aber nichts hätten ändern können. In den letzten zwei Tagen vor dem Überfall sah ich mehrfach eine einzelne ganz frische Spur eines Geländewagens im Sand. Sie bog einmal unmotiviert scharf ab, zweimal drehte sie mitten im Nichts unmotiviert um. Einmal sah ich ein weißes Fahrzeug am Horizont sich von einem Brunnen entfernen. Einmal sah eine Expeditionsteilnehmerin in der Entfernung ein weißes Fahrzeug, das in die gleiche Richtung fuhr wie wir, sich aber nicht, wie in der Sahara üblich, näherte. Einmal sah ein Expeditionsteilnehmer einen Lichtblitz in der Mittagssonne, der die Reflexion des Sonnenlichtes in einer Fensterscheibe des Fahrzeugs sein konnte, dessen Besatzung uns verfolgte, beobachtete und letztlich überfiel. Ich bin heute der Überzeugung, dass wir seit zumindest zwei Tagen vor dem Überfall verfolgt und beobachtet wurden. Das heißt erstens, dass die Banditen aus dem äußersten N Mauretaniens oder Malis kamen, und führt zweitens zu der Vermutung, daß wir von Saharaoui-Nomaden in W-Algerien, N-Mali oder N-Mauretanien, von Soldaten des Militärpostens von Cheggatt/Mauretanien oder des Postens von Chenachen/Algerien an die Banditen verraten wurden. Ich kann mir das bei allen genannten Personenkreisen nicht vorstellen, habe aber keine andere Erklärung dafür, dass wir aufgefunden werden konnten.

Schlußfolgerungen:

1) Wer viel reist, läuft Gefahr, im Reiseland Probleme zu haben und nicht in der Heimat. Er könnte in den Tropen Durchfall bekommen und nicht daheim BSE. Er könnte in der Sahara überfallen werden und nicht in Reichenhall einem Amokläufer zum Opfer fallen. Er könnte im Verkehrschaos von Lagos einen Autounfall haben und nicht einem Bombenanschlag am Haupteingang des Oktoberfestes in München zum Opfer fallen.

2) Wer wie wir einen Großraum der Erde besucht, in dem seit vielen Jahren kein Tourist oder fast keiner war, wird dort nicht erwartet, aber evtl. verraten und dann überfallen. Darf das heißen, dass man einen Raum in der Ausdehnung von 1.000km auf 1.000km nicht besuchen soll, weil dort mangels Opfer und Übermittler von Nachrichten seit Jahren keine Straftat dieser Art mehr bekannt geworden ist?

3) Zum praktischen Teil: Verstecken Sie Ihr Geld an drei bis vier Depots am Körper und im Fahrzeug. Füllen Sie ein Depot mit großen Scheinen mit wenig Wert, z.B. Libysche Dinare oder Italienische Lira, um damit zu blenden. Bewahren Sie keine Dokumente am gleichen Ort auf, wo auch Geld versteckt ist. Kopieren Sie Ihre Reisedokumente und verstecken Sie einen Satz Kopien im Fahrzeug, den zweiten Satz beim Reisepartner z.B. im Brustbeutel oder Geldgürtel.

4) Nehmen Sie keine Waffe mit, aber protestieren Sie mündlich gegen einen evtl. Überfall. Dramatisieren Sie keine aussichtslose Situation, denn wer die Kalaschnikov hat, verfügt über die besseren Argumente.

Copyright: Klaus Därr 1999

 

www.thuraya.de www.expeditionstechnik.de www.daerr.net


Copyright © Klaus Därr